Viele Münz- und Medaillensammler fanden sich ein zur Auktion 223 bei Gorny & Mosch. Das Münchner Auktionshaus löste am 26. Juni 2014 eine großartige Sammlung von geschnittenen Steinen auf. Den Höchstpreis von 26.000 Euro erzielte ein zweiseitiger Kameo.
Datum/Zeit
24.06.2014 - 25.06.2014
22:00
Veranstaltungsort
Testplatz Stuttgart
Kategorien
Auktion 223: Antiker Schmuck / Gemmen, Kameen, Siegel
Höchstpreise für geschnittene Steine
In den Jahren 1755/6 gab der Porzellanmaler Philipp Daniel Lippert seine berühmte Dactyliotheca heraus. Sie enthielt eine Zusammenstellung von 3.149 Abdrücken von Gemmen und Siegelsteinen, die unter den Gebildeten eine nie dagewesene Begeisterung für geschnittene Steine auslöste. Münzen hatten sie ja alle schon gesammelt. Aber nun versuchte jeder Sammler, der etwas auf sich hielt, seine Kollektion mit antiken Gemmen anzureichern. Gemmen wurden zu einem derart zentralen Thema, dass ein Dichter wie Lessing – ja, genau der, der die Minna von Barnhelm schrieb – sich berufen fühlte, eine populäre Einführung in die Gemmenkunde derart scharf zu kritisieren, dass sein Artikel als klassischer Verriss in die Weltliteratur eingegangen ist. Goethe schrieb 1823 eine Abhandlung über Gemmen. Und alle klagten sie darüber, dass man nicht genug antike Stücke bekommen könne, bzw. dass in keinem Bereich so viele moderne Nachahmungen existieren würden wie bei den Gemmen.
Heute sind diese kunstvollen Imitationen und Neukreationen aus der Zeit des Klassizismus Meisterwerke aus eigenem Recht. Und sie bilden immer noch einen Teilbereich der Numismatik. So waren es denn auch viele Münz- und Medaillensammler, Liebhaber normalerweise der antiken Kunst, die sich zur Auktion 223 bei Gorny & Mosch einfanden, um bei der großartigen Sammlung von geschnittenen Steinen mitzubieten, die das Auktionshaus am 26. Juni 2014 auflöste.
1215: Aias mit Prunkhelm. Wohl Italien, Ende des 18. Jh. 7,5 x 5,5 x 3 cm. Großer Kameo, Blut-Jaspis. Winzige Bestoßung am unteren Rand der Büste, vorzügliche Erhaltung. Taxe: 7.000,- Euro. Zuschlag: 18.000,- Euro.
Denn ein Werk wie der prachtvolle Kopf des Ajas mit seinem Prunkhelm steht antiken Objekten in keiner Weise nach. Tatsächlich nahm sich der italienische Künstler, der den großen Blut-Jaspis Ende des 18. Jahrhunderts in dieses Schmuckstück verwandelte, ein antikes Statuen-Ensemble zum Vorbild. Sein Ajas bezieht sich auf die sogenannte Pasquino-Gruppe, die eine Szene aus der Ilias zeigt: Der Held Ajas versucht, den Leichnam des toten Achill zu bergen. Und so kletterte der Preis für dieses einmalige Kabinettstück von einer Schätzung mit 7.000 Euro auf einen Zuschlag von 18.000 Euro.
1178: Dionysische Szene mit Satyrn, die einen trunkenen Silen aufheben. Kameo, wohl Malachit im neuzeitlichen Goldrahmen als Brosche gefasst, Goldmarke am Rand. Wohl Italien, 16. Jh. 3,9 x 2,5 cm. Intakt. Taxe: 5.000,- Euro. Zuschlag: 10.000,- Euro.
Fast schon bescheiden nimmt sich dagegen der Preis eines viel früher entstandenen Kameo aus Malachit aus, der im 19. oder 20. Jh. als Brosche gefasst wurde. Das italienische Werk des 16. Jahrhunderts zeigt einen trunkenen Silen, um den sich mehrere Satyrn bemühen. Die herrliche Arbeit, die einst in der Sammlung eines russischen Fürsten lag, war mit 5.000 Euro geschätzt und wechselte mit 10.000 Euro den Besitzer.
1162: Büste eines Silen mit den Zügen des Sokrates. Wohl Rom, 2. Hälfte 17. Jh. 5,1 x 4,1 x ca. 2,2 cm. Großer ovaler Kameo, geschichteter Sardonyx. Intaktes Prachtexemplar. Taxe: 6.000,- Euro. Zuschlag: 9.500,- Euro.
Fast genauso viel, nämlich 9.500 Euro brachte eine sich plastisch vom Hintergrund lösende Kleinstskulptur eines Silens aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Schätzung: 6.000 Euro). Das in Rom entstandene Stück wurde in einen wertvollen geschichteten Sardonyx geschnitten, der durch seine farbigen Einschlüsse dem Kopf des betrunkenen Silens eine unglaubliche Lebendigkeit verleiht. Das barocke Kabinettstück greift die alte Vorstellung auf, Sokrates habe einem Silen ähnlich gesehen, so dass die beiden Bilder als geistiges Vexierspiel ineinander greifen. Lebensfreude pur, vermischt mit dem sokratischen Geist der Aufklärung; das verkörperte einst dieser Kameo, und sein ehemaliger Besitzer nutzte ihn, um seine eigene Weltsicht nach außen zu tragen.
Damit griffen die an der Antike geschulten Sammler eine römische Sitte auf. Eine Gemme war nicht einfach nur ein Kunstwerk. Hatte ein hochrangiger Römer durch seinen am Ring getragenen Stein, mit dem er die wichtigsten Dokumente siegelte, seine politische Überzeugung zum Ausdruck gebracht, so standen die Werke des Barock und des Klassizismus für die Einstellung ihrer Besitzer. Ein trunkener Silen symbolisierte den Hedonismus seines Besitzers. Ein Antinoos, wie auf dem perlenumkränzten Schmuckstück, das unter Nummer 1160 versteigert wurde (Schätzung: 1.800 Euro / Zuschlag: 4.000 Euro), enthielt seine geheime Botschaft, nur für den Eingeweihten sichtbar. Als Stoiker gebärdete sich der Eigentümer eines Siegelrings mit einem Intaglio aus Amethyst, der das Porträt des Seneca zeigte (Schätzung: 800 Euro / Zuschlag: 2.400 Euro).
1184: Mariae Verkündigung / Anbetung. Norditalien, um 1500. 4,4 x 3,8 x 0,8 cm (ohne Rahmen). Kameo, Achat, doppelseitig geschnitten, grau-braun, an den Rändern transparent. Verzierter Rahmen aus Gold mit zwei Aufhängeösen. Intakt. Taxe: 8.000,- Euro. Zuschlag: 26.000,- Euro.
Im Mittelalter und in der Renaissance dagegen wurden antike Gemmen und ihre späteren Nachahmungen nicht als weltlicher Schmuck benutzt, sondern zum Preis Gottes in Reliquiare eingearbeitet oder als Objekt der Anbetung ständig mitgeführt. Und so zeugt der in Norditalien geschaffene zweiseitige (!) Kameo mit der Verkündigung an Maria bzw. der Anbetung des Christuskindes nicht nur von der hohen Kunstfertigkeit seines Schöpfers, sondern auch von der tiefen Frömmigkeit des einstigen Besitzers. Das einmalige Objekt wurde mit einem Zuschlag von 26.000 Euro (Schätzung: 8.000 Euro) zum teuersten Stück der Auktion.
Die antiken Vorbilder dieser Kunstwerke waren dagegen geradezu billig zu haben. Für dreistellige Beträge im unteren Bereich konnte der Kenner römische Siegelringe aus Silber kaufen. Einfache Gemmen und Kameos blieben meist unter der 1.000 Euro Grenze.
1100: Kameo mit Hand und griechischer Inschrift. Römisch, 3.- 4. Jh. n. Chr. H 1,5 cm. Winzige Splitter fehlen. Taxe: 4.000,- Euro. Zuschlag: 6.500,- Euro.
Aber natürlich gab es auch hier die teuren Stücke, so ein römischer Lagenachat, der geradezu herausfordert, hinter ihm eine Geschichte zu suchen. Er zeigt eine Hand, die ein Ohr am Ohrläppchen packt, mit der griechischen Aufschrift „Erinnere dich!“ Das Geheimnis dieses Stücks hatte seinen Preis. Geschätzt mit 4.000 Euro wechselte es erst mit 6.500 Euro den Besitzer.
Alle Ergebnisse der Auktion finden Sie hier.
Die nächste Auktion „Kunst der Antike“ ist für den Dezember 2014 geplant. Einlieferungen werden bis September 2014 entgegengenommen. Die nächste Münzauktion findet vom 13. bis zum 17. Oktober 2014 statt. Nähere Informationen erhalten Sie bei Gorny & Mosch, Giessener Münzhandlung, Maximiliansplatz 20, D-80333 München, Tel. +49 / (0)89 / 24 22 643-0, Fax +49 / (0)89 / 22 85 513.